Badminton Open Saarbrücken

International 2015.08.13

"Ich bin schockiert, was da passiert ist"

Misha Zilberman aus Israel bei der WM [Foto: BadmintonPhoto]
Von Bernd-Volker Brahms
Der Fall Misha Zilberman: Was bei der Weltmeisterschaft in Jakarta um den jüdischen Sportler genau abgelaufen ist.
Der 26-jährige israelische Badminton-Profi Misha Zilberman verlor am Dienstag in Jakarta sein Erstrundenmatch gegen den Taiwanesen Hsu Jen Hao nach 39 Minuten mit 14:21, 14:21 - eigentlich kaum der Rede wert. Unter anderen Umständen wäre es eines von 51 Spielen an diesem zweiten WM-Tag in der indonesischen Hauptstadt gewesen. Die Umstände der WM-Teilnahme des Israelis werden nun aber als ein unschönes Kapitel in die Geschichte des Sportes eingehen. Lange wurde dem Israeli die Einreise verweigert und nur auf öffentliche Druck hin, kurzfristig zugelassen. "Politik muss im Sport draußen bleiben", sagt Martin Kranitz, Sportdirektor des Deutschen Badminton Verbandes (DBV). "Ich bin schockiert, was da passiert ist", sagt der achtfache deutsche Meister Marc Zwiebler. Der Badminton Weltverband BWF betrieb ein zumindest fragwürdiges Krisenmanagement, beruft sich darauf, "im Stillen gearbeitet" zu haben.

Zur Vorgeschichte: Misha Zilberman, Nummer 44 der Weltrangliste, hat nach eigenen Angaben bereits rund ein halbes Jahr vor der WM ein Visum für das größte muslimische Land der Welt beantragt, wurde aber bis zuletzt von den indonesischen Behörden hingehalten. Einige Tage vor der WM erhielt er das endgültige "Nein", zu einem Zeitpunkt, als sich der 26-Jährige bereits in Singapur aufhielt. Er wartete dort auf die Einreisegenehmigung und bereitete sich aufs Turnier vor. Per Facebook informierte er die Öffentlichkeit darüber, dass ihm das Visum verweigert worden ist. Zunächst berichteten israelische Medien wie die Jersualem Post über den Fall. In der Folge sollen sich IOC-Mitglieder an den Badminton Weltverband BWF gewandt haben, um sich nach dem Vorfall zu erkundigen. Eine öffentliche Reaktion der BWF blieb jedoch aus. "Wir haben ruhig und konstant mit Zilberman zusammengearbeitet", hieß es am späten Dienstag in einer Presserklärung, bei der der Schwerpunkt darauf lag, der indonesischen Regierung und dem indonesischen IOC dafür zu danken, dass er Sportler einreisen durfte.
Ich werde nichts sagen, so lange ich nicht wieder ausgereist bin.
Misha Zilberman

Misha Zilberman kam am Montag - dem ersten WM-Tag - nach Jakarta. BWF-Generalsekretär Thomas Lund hat ihn persönlich in Singapur abgeholt. Das Erstrundespiel des Isrealis gegen den Taiwanesen Hsu Jen Hao fand keine 24 Stunden nach der Anreise statt. Es wurde auf Dienstagmorgen 9 Uhr vorverlegt, nachdem die Partie bis zuletzt auf 11.15 Uhr terminiert war. Das Spiel fand quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Nur wenige Zuschauer und noch weniger Journalisten waren zu dem frühen Zeitpunkt in der Halle. Nach dem Spiel wurde Zilberman von vier BWF-Offiziellen vom Feld eskortiert - vorbei an der sogenannten Mixed-Zone, wo einige Journalisten darauf warteten, dass Zilberman seine eigene Version von den Vorfällen berichtet. Eine angekündigte Erklärung der BWF kam am Abend per E-Mail um 23.29 Uhr, als alle Medienvertreter längst ihre Computer eingeräumt und den Heimweg angetreten hatten.

Zilberman selbst wurde später noch auf dem WM-Gelände - zusammen mit Mutter und Coach Svetlana Zilberman gesehen, begleitet von einem BWF-Offiziellen. "Ich werde nichts sagen, so lange ich nicht wieder ausgereist bin", sagte Zilberman. Im Hotel The Sultan, wo viele Spieler untergebracht sind, übernachtete auch Misha Zilberman. Hier hatte er auch freien Kontakt zu anderen Spielern. "Ich habe auch mit ihm gesprochen, allerdings schon vor seinem Spiel", erzählt Marc Zwiebler. Er habe eine große Verunsicherung bei ihm feststellen können. "Das kann man ja auch verstehen, wenn man nicht willkommen geheißen wird", sagte Zwiebler. Zilberman habe sogar darüber nachgedacht, gar nicht erst anzutreten. Was ihn am Ende doch bewegt hat, ist derzeit Spekulation. Möglicherweise haben auch israelische Behörden darauf bestanden.

"Die Sache trifft mich persönlich", sagte Marc Zwiebler am Dienstag nach seinem eigenen Zweitsatzsieg zum WM-Auftakt gegen den Kubaner Osleni Guerrero. Er habe Indonesien immer als ein sehr gastfreundliches Land erlebt und spiele unheimlich gerne vor der badmintonverrückten Kulisse in der Halle Istora Senyan. Unmittelbar vor der WM war Zwiebler als Sportartenbotschafter in Berlin bei den Maccabi Games - den jüdischen Europameisterschaften gewesen. "Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass beim Badminton jetzt so etwas passiert", sagte Zwiebler. Letztlich sei es gut gewesen, dass der Israeli überhaupt antreten konnte. Der deutsche Meister hatte sich nach Bekanntwerden des Falls persönlich eingesetzt und eine Petition im Internet unterschrieben und andere Spieler versucht zu animieren, dies ebenfalls zu tun. "Ich war erstaunt und enttäuscht, wie wenig Resonanz es gab", sagt Zwiebler. Er selbst habe auch einige böse Mails bekommen, nachdem er sich bei Facebook geäußert habe.
Es müssen Regelungen innerhalb des Verbandes getroffen werden, die so etwas ausschließen
Martin Kranitz, DBV-Sportdirektor

Bei der BWF habe man sich in amateurhafter Weise nicht um die Sache gekümmert und sei wohl erst zuletzt aktiv geworden, kritisiert der 31-Jährige. Für DBV-Sportdirektor Martin Kranitz ist die Sache auch noch nicht ausgestanden. "Es müssen Regelungen innerhalb des Verbandes getroffen werden, die so etwas ausschließen."

Nach Angaben des Weltverbandes habe man in den Monaten und Woche vor der WM "leise und ununterbrochen zusammengearbeitet", um eine Teilnahme von Misha Zilberman bei der WM sicherzustellen. Man habe sich zwar eine schnellere Lösung gewünscht, habe jedoch auch seine "Sicherheit und sein Wohlergehen" absichern müssen. Vom Selbstverständnis der BWF müssten "politische Herausforderungen durch den Sport überwunden werden", heißt es in der späten Presserklärung des Verbandes. Dies sei bei dem Vorfall Zilberman gelungen. In dem Sinne bedankt man sich bei allen Beteiligten, der indonesischen Regierung, dem indonesischen IOC und anderen, die dazu beigetragen hätten, dass der Israeli letztlich doch spielen konnte.

Im Übrigen wurde Ende Juli fünf Fußballprofis des AS Rom die Einreise nach Indonesien verweigert, weil sie keine Visa vorweisen konnten. Sie wurden am Flughafen abgefangen und konnte unverrichteter Dinge wieder zurückreisen. "Indonesier können da nur mit den Schultern zucken, es passiert hier laufend, dass man ohne Begründung zu irgend etwas keinen Zutritt bekommt und abgewiesen wird", heißt es bei indonesischen Journalisten mit vorgehaltener Hand. Daher würden die Leute auf der Straße die Vorgänger um die Fußballer oder auch jetzt um Misha Zilberman lediglich mit einem Achselzucken zur Kenntnis nehmen. "Es lohnt sich, immer auch die Gegenseite anzuhören", sagt Martin Kranitz. Er wolle nichts beschönigen mit der Aussage, aber man sei zu oft auch einem "europäischem Denken" verhaftet. Misha Zilberman ist indessen am Mittwochmorgen vom Sukarno Hatta-Flughafen aus Jakarta wieder abgereist.


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