Badminton Open Saarbrücken

Stars 2016.08.25

Ist Chinas Dominanz im Badminton endgültig gebrochen?

Ist Chinas Dominanz im Badminton endgültig gebrochen?
Im Dameneinzel blieb China ohne Medaille. Titelverteidigerin Li Xuerui verletzte sich im Halbfinale [Foto/Archiv: BADMINTONPHOTO]
Von Joachim Persson
Ist die Dominanz Chinas im Weltbadminton vorbei? Das ist eine der Fragen, die man mir gestellt hat, nachdem China in Rio de Janeiro im Badminton das schlechteste Ergebnis aller Zeiten bei Olympischen Spielen erzielt hat.
Vor allem war überraschend, dass China weder im Dameneinzel noch im Damendoppel eine einzige Medaille einfuhr. Darüber hinaus ist es auch bemerkenswert, dass China nach 2014 in diesem Jahr, zum zweiten Mal in Folge auch den Thomas Cup nicht gewann. Ich halte diese Frage für sehr berechtigt, doch wie mit so vielen Fragen, kann auch diese auf viele verschiedene Arten und Weisen beantwortet werden. Müsste ich jedoch unter Zwang diese Frage mit einem Wort beantworten, dann wäre meine Antwort definitiv "Nein".

Wieso?

Obwohl Chinas Vormachtstellung augenscheinlich bröckelt, denke ich nichtsdestotrotz, dass China aufgrund der Masse an Spielern und aufgrund des chinesischen Systems, diese Massen durch ihre "Fabrik" zu treiben, im Badminton weiter führend sein wird. Meiner Meinung nach ist es im Endeffekt nämlich auch ein Zahlenspiel, das heißt obwohl ich viel Kritik am chinesischen System auszusetzen habe, ist es eine logische Folge, dass wenn ein Land eine wesentliche Anzahl mehr Talente in jedem Jahrgang hat und ein gewisses Niveau und eine gewisse Badmintonkompetenz in diesem System schon bestehend sind, dieses Land auch eine große Chance hat, seine Vormachtstellung zu bestätigen.

Meine Kritik

Als ich 2001 mit einer für Deutschland extrem starken U19-Nationalmannschaft (u.a. mit Marc Zwiebler, Juliane Schenk, Michael Fuchs und Birgit Michels) zur Jugend-Weltmeisterschaft nach China reiste, bestätigte sich, was alle erwartet hatten. Die Chinesen räumten alle Goldmedaillen sowie alle Silbermedaillen - bis auf die Silbermedaille im Herreneinzel - ab. Nebenbei erwähnt holten Spieler wie Lin Dan und Lee Chong Wei nur Bronze.

China hatte in jeder Disziplin um die fünf Teilnehmer, die alle fähig gewesen wären die Goldmedaillen zu holen. Mit anderen Worten: der Abstand zu allen anderen Nationen war immens und ganz anders als es heute der Fall ist. Mir ist bewusst, dass mir hier sicher Leute widersprechen werden, aber von meinem Gefühl her kann ich nicht ausschliessen, dass die chinesischen Spieler aus diesem Jahrgang auch 15 Jahre später noch alle Jugendweltmeisterschaften dominieren würden und besser als die heutigen chinesischen Jugendspieler sind. Mir ist bewusst, dass dies gegen jegliche Evolutionstheorie spricht und bin mir auch sicher, dass sich die Breite außerhalb Chinas sehr weiterentwickelt hat, aber trotzdem wage ich dies zu behaupten. Ich erkläre mir dieses Phänomen damit, dass sich die Welt und auch vor allem China seit 2001 extrem verändert hat. Ich glaube, dass China nicht ansatzweise sein Potential im Badminton ausnutzt, weil das chinesische System auf dem Prinzip eines veralteten Menschenbildes aufbaut.

Konkret erscheint es mir so, als würde das chinesische System extremen Druck auf jeden einzelnen Menschen ausüben und sehr wenig Platz für Individualität lassen. Außerdem baut das chinesische (wie die meisten asiatischen) System auf einer Überzeugung, dass meiner Meinung nach Quantität und hartes Training zu sehr in den Vordergrund stellt. Ohne Frage sind diese beiden Elemente grundlegende Bausteine für mehr oder weniger jeden Profisport, jedoch sehe ich es als ein Problem, wenn diese sich negativ auf Qualität und intelligentes Training auswirken. Ich finde, dass es Anzeichen gibt, dass dies in China der Fall ist. Ich habe das schon länger bei den Dameneinzelspielern beobachtet und meine auch jetzt in den anderen Disziplinen sehen zu können, dass viele der chinesischen Spieler ausgelaugt sind und ohne Begeisterung Badminton spielen. Die Kreuzbandverletzung Li Xueruis könnte mit Sicherheit auch eine Folge von Erschöpfung sein.

Eine weiterer Punkt, bei dem ich glaube, dass unter anderem China hinterherhinkt (ohne dass ich dies in irgendeiner Weise belegen kann), ist, dass vor allem Länder wie Deutschland und Dänemark überlegen sind, wenn es um Leistungsoptimierung in den Bereichen Vorbereitung, Sportpsychologie und Ernährung geht. Dies ist ein Eindruck, der sich bei mir festgesetzt hat, weil ich oft gesehen habe, wie ein Chinese oder eine Chinesin kurz vor einem Spiel mit dem Handy sitzt und gleichzeitig nicht zielführende Nahrung zu sich nimmt.

Die Zukunft

China wird aufgrund der Anzahl von gut ausgebildeten Talenten immer noch die erfolgreichste Badmintonnation sein, aber ich glaube nicht, dass man in den nächsten Jahren den Sport so extrem dominieren wird wie vor noch vor fünf oder zehn Jahren. Das hängt damit zusammen, dass andere Länder ihre Talente langfristiger und nachhaltiger fördern als China. Dies führe ich darauf zurück, dass China es bisher nicht verstanden hat, sein System entsprechend den Veränderungen der chinesischen Gesellschaft anzupassen. Die Folge dessen ist, dass viele chinesische Spieler ihren Beruf mit weniger Herzblut und Leidenschaft als andere Spieler ausüben. Ich denke, dies wird sich so fortsetzen - bis die Chinesen sich diesem Zyklus bewusst werden.


Anzeige


Badminton Open Saarbrücken
Anzeige