Badminton Open Saarbrücken

Stars 2015.01.18

Auf der Suche nach der Freiheit

Auf der Suche nach der Freiheit
[Foto: Das Büro]
Von Redaktion
Als Peter Gade vor zwei Jahren den Schläger beiseite legte, musste er seine bisherige Identität abstreifen. Die Art zu leben und die Ziele, die ihn bis dahin als Mensch definiert hatten, veränderten sich von heute auf morgen. Ziele, die ihn zwar geprägt haben, aber auch stark eingeschränkten.
Die simple Wahrheit über Peter Gade gibt es nicht. Sein Leben ist geprägt von Paradoxa. Ein Weltklasse-Athlet, der fast 20 Jahre lang ablieferte. Er bevorzugt es, unabhängig zu leben, aber fast die gesamte Zeit seines Lebens, lebte er nach strengen Vorlagen. Minutiös geplant, Tag für Tag. Nur mit dem einen Ziel: sportlicher Erfolg. Nun ist dieser Lebensabschnitt Geschichte. Und die Freiheit wartet, doch Gade befolgt weiterhin einen strengen Plan.

"Alles in meinem Leben war darauf ausgerichtet, auf dem Badmintonfeld erfolgreich zu sein - einfach alles. Auf einmal ist das alles weg. Ich kann mittlerweile sehr gut verstehen, dass Athleten, die so einen Prozess durchmachen, am Ende nicht mehr weitermachen wollen. Ich habe von ehemaligen Sportlern gehört, die Selbstmordversuche hinter sich haben oder in tiefe Depressionen versunken sind. Das ist eine echte Gefahr", sagt Gade.

Keine weißen Strände

Gade hat keine Zweifel, dass der Rücktritt Ende 2012 die richtige Entscheidung war. Er liebte und liebt den Badmintonsport, aber im Alter von 36 Jahren waren Körper und Geist nicht mehr in der Lage, Leistungssport auf einem Niveau seiner eigenen Zufriedenheit auszüben. Das Ende der Karriere war wohlüberlegt und geplant. Was er allerdings nicht vorhersah war, dass auch alle anderen Routinen seines täglichen Lebens so sehr mit dem aktiven Sport verknüpft waren.

Für viele Jahre war das Verhältnis zu seinen Eltern und zu seiner Schwester angespannt. Zu diesen privaten Herausforderungen kam noch eine Scheidung von der Mutter seiner zwei Töchter hinzu. Er verkaufte seine Villa und zog in ein neues Haus. Hier sitzt er nun, umgeben von einer stilvollen Einrichtung in Schwarz und Weiß gehalten. Vor ihm eine Tasse mit starkem Kaffee. Mit all diesen Herausforderungen stand er Ende 2012 irgendwie ganz alleine da. Zum einen war da der Abschied vom Badmintonsport, und zum anderen wollte er auch ein guter Vater sein. "Nun stand ich am Morgen mit den Haarspangen meiner Töchter, machte ihnen Zöpfe und dachte gleichzeitig: Was soll ich bloß mit dem Rest meines Lebens anfangen?"

Normalerweise verdienen dänische Badmintonspieler nicht genug, um am Ende ihrer Karriere vollkommen ausgesorgt zu haben. Selbst wenn das bei Peter Gade gegeben wäre, liegt es ihm fern, gar nichts mehr zu machen. Das ist nicht seine Art zu leben. Neue Ziele müssen gesucht werden. Einen Posten als Nationaltrainer würde erneut ein Leben nach strengen Regeln bedeuten. Das kommt für Gade derzeit nicht in Frage.

"Im Gegensatz zu vielen anderen Sportlern, habe ich großes Interesse etwas Neues zu entdecken. Es war schon immer ein Problem, meine Persönlichkeit mit dem Leistungssport in Einklang zu bringen. Ich musste mein Leben komplett neu strukturieren. Ich kann nicht von früh bis abends ständig das Gleiche machen. Jeden Tag aufstehen, arbeiten und zu Bett gehen. Das funktioniert bei mir nicht", erklärt Gade.

"Es geht um die größtmögliche Freiheit. So frei wie möglich zu sein. Als Mensch. Das suche ich. Das ist eine Art Kunst. Und es dauert wahrscheinlich das gesamte Leben, das zu perfekt zu erlernen." Diese Gedanken brachten Gade dazu, etwas Neues auszuprobieren. Er wurde Botschafter und Partner für dänische Firmen mit starken Absatzmärkten in Asien. Heute arbeitet er mit einer handvoll Firmen zusammen. In China, wo Gade eine prominente Person ist.

"Ich muss davon leben können. Aber es geht nicht nur um Geld, sondern auch darum, etwas zu erreichen. Erst dann macht es Spaß", sagt er.

Diese Ambitionen ließen Gade ausschließlich mit Firmen zusammenarbeiten, mit denen er sich auch indentifizieren kann. So sind es Unternehmen, deren Schwerpunkt auf Klima, Umwelt und vor allem Gesundheit liegt.

Fester Halt gesucht

Die Suche nach Freiheit verläuft nicht ohne Bedenken. Im Herbst 2013 krochen erstmals Zweifel ans Tageslicht, als er sich auf dem Weg zum Flughafen für einen Trip nach China befand. Er sollte für Mitarbeiter des dänischen Unternehmens Grundfos Vorträge halten. "Ich dachte: Was kann ich den Managern schon bieten? Ich halte nicht sehr viel davon, dass Topsportler automatisch der Welt viel zu erzählen hätten."

In den letzten Jahren seiner Karriere arbeitete er intensiv mit dem Psychologen Jens Hansen zusammen. "Manchmal habe ich ihn einfach angerufen und gefragt: Was für ein Leben lebe ich eigentlich? Jeden Tag geht es um China und Badminton. Wo ist der Halt?"

Gade zeichnet mit seinen Händen eine imaginäre Box nach, um zu veranschaulichen, nach welchen stringenten Regeln ein Weltklassesportler lebt. "Ich war gewohnt, genau so zu leben", sagt er. Jetzt muss er nicht mehr früh aufwachen für das tägliche Training. Er ist nicht mehr der Badmintonspieler. Schon eher eine Art Geschäftsmann.

Der Trip nach China wurde ein Erfolg. Er fand heraus, dass der erbarmungslose Fokus eines Elite-Sportlers ihm auch in der Geschäftswelt zugute kommt. Heute plant er Meetings, beurteilt eine Reihe von Firmen oder spielt einfach nur Badminton mit chinesischen Klienten.

Die komplette Person

Die Federbälle fliegen auch weiter herum. Nur Monate nach dem Ende seiner Karriere, startete Gade wieder ins Training. Als Coach. Er trainiert einen Talentkader des dänischen Verbandes. Der All-England-Sieger bringt den jungen Spielern bei, was es verlangt ein Topathlet zu sein. Fokus und Sieg, das ist alles was zählt. Genau das, was auch sein ganzes Leben dominiert hatte. "Ich versuche den ganzen Menschen zu trainieren. Ich will Topathleten ausbilden - aber ohne, dass sie dabei zu Maschinen werden."

Der große Badmintonstar ist in ein neues Leben eingetaucht. Ein Leben mit einer begrenzten Anzahl an Optionen und ohne festen Halt. "Aber vielleicht ist es ja genau das, was ich will. Ich will das Unsichere und Unbestimmte fühlen."

Gade streicht sich mit der Hand übers Gesicht - und man kann ein halbes Lächeln erkennen. "Ich warte einfach ab, wie es letztlich kommen wird."

Die besten 100 Fotos von Peter Gade


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